1956 entstand das Kernforschungszentrum Karlsruhe (KfK), das sich der Atomtechnik widmete. Die Aktivitäten des KfK wurden von Anfang an fotografisch dokumentiert und beinhalten heute eine Fotosammlung von ca. 210.000 Negativen, die 2014 an das KIT-Archiv übergingen. Davon wurden inzwischen rund 10 Prozent digitalisiert.
Die Publikation „10%“ eröffnet eine breit angelegte Erschließung des Bildmaterials nach einer Vielzahl von Gesichtspunkten, indem es sehr unterschiedliche Praktiken im Umgang mit dem Archivgut und ein weites Spektrum von Fragen zu dessen dokumentarischem Charakter versammelt. Der Band bietet Herangehensweisen, die sich mit Zusammenhängen zwischen nuklearer Forschung, deren gesellschaftlichen Bezügen und den spezifischen Eigenschaften der hier untersuchten Bildwelt befassen.
Hervorgegangen ist die Publikation aus einem Prozess, der sich zwischen 2017 und 2021 als Kooperation des Bereichs Künstlerische Fotografie der HfG mit dem KIT-Archiv in gemeinsamen Recherchen, Seminaren und Ausstellungen sowie in Diskussionen zu kollektivem Wis-sen formiert hat. Die in gemeinschaftlicher Arbeit vollzogene Anreicherung von Wissen und die Reflexion des im Archiv erfolgten Prozesses zur Auswahl von 10 Prozent des Bildbestands für die Digitalisierung prägten schließlich das Konzept der Publikation „10 %. Das Bildarchiv eines Kernforschungszentrums betreffend“.
Für die im Buch gezeigte Bildauswahl wurden 34 Autor:innen eingeladen, eine Bildserie anhand frei gewählter Kriterien zusammenzustellen und einen Text zu schreiben. Die Beiträge repräsentieren unterschiedliche fachliche Interessen, methodische Zugänge und persönliche Haltungen. Sie reichen von Beiträgen aus Perspektiven der am KfK gepflegten Disziplinen und von archivfachlichen Zugängen über ikonologische und wissenschaftsgeschichtliche Fragestellungen bis hin zu politischer Positionierung, literarischen Arbeiten und Formaten künstlerischer Forschung. Die Texte und die Bildauswahlen sind bestimmt von individuellen, teils stark subjektiv geprägten Blicken auf das Thema Kernforschung, und sie stehen unabhängig von der Meinung der HerausgeberInnen. So kreuzen sich innerhalb des Buches Bild-strecken und Perspektiven – von außerhalb und innerhalb des KfK und seiner Nachfolgeinstitution KIT.
Der Band ermöglicht nicht nur einen Zugang zur Bildwelt der nuklearen Forschung, sondern auch zu fotografischen und bildrechtlichen Diskursen. Die in 50 Jahren entstandene Bildproduktion des KfK enthält auch eine Geschichte des Wandels fotografischer Techniken und ästhetischer Konventionen. Die Medialität der ausgewählten Bilder reicht von Klein-, Mittel- und Großbildformaten in Schwarz-weiß- und Farbe bis hin zu Bewegtbildern. Jedes dieser Dokumente markiert technisch, materiell, ästhetisch und inhaltlich jeweils eine individuelle Sicht auf die Kernforschung.
Während die Originalnegative ein Jahr nach dem Erscheinen dieses Buches bei -18 Grad Celsius für ‚die Ewigkeit‘ eingelagert werden, soll die Reproduktion der Motive in diesem Buch dazu anregen, über den Begriff der Ewigkeit und dessen technische, energiepolitische, lebensbedingende Verantwortlichkeiten, sprich eine erweiterte ökologische Perspektive nachzudenken.
HerausgeberInnen:
o Prof. Susanne Kriemann (Künstlerin, Leiterin des künstlerischen Forschungsprojekts „Untitled (Archive)“, HfG)
o Judith Milz (Künstlerin, Alumna HfG Karlsruhe)
o Friederike Schäfer (Kunstwissenschaftlerin)
o Klaus Nippert (Archivar und Historiker, Leiter des KIT-Archivs)
o Elke Leinenweber (Mitglied der Projektleitung im DFG-Projekt am KIT-Archiv)
GrafikerInnen
o Cécile Kobel
o Moritz Appich
Beitragende des Buches:
Markus Breig, Hangyan Chen, Simone Dahringer-Boy, Mark Damian, Víctor Fancelli Capdevila, Nina Fischer & Maroan el Sani, Christian Fruth, Manuela Gantner, Horst Geckeis & Bernhard Kienzler, Hans-Jürgen Goebelbecker, Doris Heathman, Jana Hofmann, Karena Kalmbach, Romy Kießling, Iden Sungyoung Kim, Paul Koch, Sylvia Kotting-Uhl, Katrin Kranich, Susanne Kriemann, Elke Leinenweber, Judith Milz, Willibald Müller, Klaus Nippert, Nis Petersen, Martin Repohl, Tatjana Rohrmoser & Bianca Janina Stein, Bernd-A. Rusinek, Friederike Schäfer, Natalia Schmidt, Susan Schuppli, Rayna Teneva & Mustafa Emin Büyükcoşkun, Alexander Theis, Carmela Thiele, Jonas Zilius